Müssen Palmfrüchte in der Vogelernährung wirklich sein?

Ein beliebtes „Super-Food“ in der Papageienernährung sind Palmfrüchte und Rotes Palmöl. Sie werden vor allem aufgrund ihres hohen Gehaltes an Beta-Carotin eingesetzt. Doch der Ölpalmen-Anbau steht in der Kritik. Gibt es Alternativen?

Palmfrüchte und Palmöl als Futtermittel

Die Ölpalme (Elaeis guineensis) stammt ursprünglich aus Afrika und erreicht eine Höhe von bis zu 30 m. Ihre Fruchtstände werden bis zu 50 kg schwer und bestehen jeweils aus 3000 bis 5000 Früchten. Aus den Kernen wird das weiße Palmkernöl gewonnen, aus dem Fruchtfleisch das Rote Palmöl. In der Vogelernährung werden gerne Rotes Palmöl, aber auch ganze Palmfrüchte eingesetzt. Durch ihren hohen Gehalt an Carotin haben sie eine orange-rote Farbe. Beta-Carotin wird auch als Provitamin A bezeichnet. Der Vogel kann aus Beta-Carotin Vitamin A bilden. Nicht zuletzt sind Palmfrüchte aber auch ein sehr natürliches Futtermittel. Gerade Graupapageien ernähren sich in der Natur zu einem großen Anteil von Palmfrüchten. Aber auch Aras fressen in Südamerika ähnliche Früchte von anderen Palmarten.

Vitamin-A-Mangel

Da Sämereien allgemein kein oder nur sehr wenig Carotin enthalten leiden sehr viele Heimvögel unter einem Vitamin-A-Mangel. Er zeigt sich durch verstopfte Nasenlöcher, vergrößerte Unterschnabeldrüsen, Hyperkeratosen, Fußballenentzündungen und begünstigt durch ein geschwächtes Immunsystem auch Atemwegsinfektionen wie die Aspergillose.

Palmöl-Anbau

Palmöl ist das meist angebaute Pflanzenöl der Welt, sein Anteil am globalen Pflanzenöl-Markt liegt bei über einem Drittel. Die Hauptanbauländer sind Indonesien und Malaysia. Die Anbaufläche hat sich seit 1990 versechsfacht. Dies liegt selbstverständlich nicht an der Produktion von Palmöl für die Papageienernährung. Palmöl wird von der Industrie mannigfaltig verwendet und findet sich in Biodiesel, Nahrungsmitteln, Wasch-, Reinigungs- und Pflegemitteln sowie in Kosmetika wieder. In einem normalen Supermarkt ist es heute fast nicht mehr möglich einzukaufen ohne ein Produkt das Palmöl enthält zu erwerben.

Kritik des Palmöl-Anbaus

Der Palmöl-Anbau steht sehr in der Kritik. Es werden riesige Plantagen mit Monokulturen angelegt. Um Platz für Ölpalmen zu schaffen verschwindet Regenwald, meist durch Brandrodung. Es wird täglich eine Fläche von über 650 Fussballfeldern für den Palmöl-Anbau geopfert. Damit verschwindet nicht nur natürlicher Lebensraum von Orang-Utans, Papageien und anderen Wildtieren, sondern in den Flammen sterben auch unzählige Tiere. In den Monokulturen müssen zudem viele Pestizide eingesetzt werden um die Palmen gesund zu erhalten.

Hygiene von Palmfrüchten

Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Problem ist der Hygienestatus von ganzen Palmfrüchten. Die Ernte erfolgt in den Tropenländern bei hohen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit, ideale Bedingungen für viele Verderbniserreger. Nach der Ernte werden die Früchte mit Wasser, das aus Brunnen und Flüssen stammt gereinigt, dieses ist oft mit Keimen belastet. Um einen einwandfreien Hygienestatus zu gewährleisten ist also zügiges Einfrieren erforderlich. Dies, sowie der gekühlte Transport mit dem Flugzeug, sorgt für einen immensen Ausstoß von Treibhausgasen. Dennoch werden in mikrobiologischen Untersuchungen an Palmfrüchten hohe Keimbelastungen gefunden, auch Aspergillus, der für die Aspergillose der Papageien verantwortliche Pilz.

Gibt es Alternativen?

Neben Palmfrüchten enthalten auch viele andere Obst- und Gemüse-Sorten Carotin. Zu den Spitzenreitern gehört die Möhre, mit ihr wollen wir uns im weiteren Verlauf näher beschäftigen. Weitere Gemüse mit einem hohen Carotin-Gehalt sind Feldsalat, Spinat, Chicorée, Mangold, Endiviensalat, Petersilie und Süßkartoffeln. Zu den Obst-Sorten mit viel Carotin zählen Honigmelonen, Mango, Aprikosen, Ebereschen, Tamarillo und Sanddorn.

Vitamin-Präparate, ob als Pulver oder flüssig, enthalten Retinol, also Vitamin A. Dieses ist in hohen Dosen giftig. Bei der Verabreichung von Vitamin-Präparaten besteht daher die Gefahr einer Vitamin-Vergiftung. Obst und Gemüse enthalten Carotin, welches bei Überdosierung nicht giftig ist. Daher ist die Gabe von frischem Obst und Gemüse der Verabreichung von Pülverchen und Tröpfchen vorzuziehen.

Möhren-Anbau

Der Anbau von Möhren erfolgt in Deutschland, vor allem entlang des Rheins, aber auch in vielen anderen Gebieten. Der Selbstversorgungsgrad mit Möhren ist hoch, dennoch wird ca. 25 % des Bedarfs noch importiert, zumeist aus dem europäischen Ausland. Die Transportwege sind also deutlich kürzer als bei Palmöl. Zudem wird kein Regenwald abgeholzt um Möhren anzubauen. Möhren sind nicht sehr krankheitsanfällig, werden daher relativ wenig gespritzt. Oftmals werden Unkräuter per Hand entfernt. Es gibt viele Möhren-Anbauer die einwandfreie Bio-Qualität liefern können.

Ganz oder geriebene Möhre ist eine gute Quelle für Beta-Carotin

Carotin im Vergleich

Ein Argument für Palmöl ist, dass es mehr Carotin als Möhren enthält. Betrachtet man die ganze Möhre, bzw. das pure Rote Palmöl, so stimmt das auch. Rechnet man das Wasser aus der Möhre heraus, so enthält sie sogar mehr Carotin (siehe Tabelle 1). Rotes Palmöl ist wasserfrei, daher sind die Werte für die ursprüngliche Substanz (uS) und Trockensubstanz (TS, ohne Wasser) gleich. Zudem enthält die Möhre auch weitere Vitamine und Mineralstoffe, die in Palmöl entweder nicht oder nur zu geringen Teilen enthalten sind.

ß-Carotin (mg/kg)
MöhreuS-Basis76
TS-Basis644
Rotes PalmöluS-Basis210
TS-Basis210
Tabelle 1: Vitamin A bzw. ß-Carotin-Gehalt von Möhren und rotem Palmöl

Fett zur Resorption

Ein Argument das für Rotes Palmöl, bzw. die sehr fettreichen Palmfrüchte, zu Felde geführt wird, ist dass zur Aufnahme bestimmter Vitamine aus dem Darm Fett benötigt wird. Dies trifft unter anderem auf Vitamin A zu. Aber die meisten Papageien werden mit einer Sämereien-Mischung ernährt die viele fettreiche Saaten (Fettgehalt 45-65 %) enthält. Aber auch die kohlenhydratreichen Sämereien enthalten noch 2-10 % Fett. Zur Aufnahme der fettlöslichen Vitamine aus dem Darm ist ein Fettgehalt von 2 % nötig. Daher ist bei Ziervögeln kein zusätzliches Fett zur Vitamin-Aufnahme nötig!

Aufnahme von Palmöl und Möhren

Im Rahmen meiner Doktorarbeit habe ich unter anderem die Aufnahme Rotem Palmöl mit der Aufnahme von Möhren verglichen. Die Grundlage der Fütterung bestand aus einer für die Vögel typischen Sämereienmischung, das Beifutter wurde zusätzlich zur freien Aufnahme angeboten. Dabei zeigten sich erhebliche Unterschiede in der Aufnahme des Beifutters (siehe Tabelle 2). Kanarienvögel fraßen allgemein am meisten vom Zusatzfutter, Wellensittiche am wenigsten. Die über das Beifutter erreichte Vitamin-A-Versorgung war beim Angebot von Möhre immer höher als beim Angebot von Rotem Palmöl! Der Vitamin-A-Bedarf von Kanarienvögeln liegt bei 6.000 IE/kg TS, er war bei Möhren und Rotem Palmöl problemlos gedeckt. Der Bedarf von Papageien liegt mit 2.000 IE/kg TS niedriger. Bei Rosenköpfchen wurde der Bedarf durch beide Zusatzfutter gedeckt. Nicht so jedoch beim Wellensittich. Wellensittiche nehmen durch Palmöl zu wenig Carotin zu sich. Mit Möhren war jedoch der Vitamin-A-Bedarf problemlos zu decken.

  Anteil Beifutter in % der Trockensubstanz-AufnahmeGesamtration Vitamin A IE/kg TS
KanarienvögelMöhre24,9267.854
 Rotes Palmöl30,632.136
WellensitticheMöhre2,3224.906
 Rotes Palmöl1,581.659
RosenköpfchenMöhre2,4526.302
 Rotes Palmöl15,716.488
Tabelle 2: Vitamin-A-Versorgung über Beifutter

Obst-Aufnahme bei anderen Papageien

Auch bei anderen Papageien gibt es Studien wie viel Obst oder Gemüse sie aufnehmen. Allgemein lässt sich sagen, dass Amazonen und Edelpapageien die höchste Obst-Aufnahme zeigen. Ihr Anteil beträgt um die 30 % der Trockensubstanz. Bei Keilschwanzsittichen (wie Jendayasittich oder Goldscheitelsittich) liegt der Anteil bei 20-25 %. Graupapageien und Kakadus fressen lieber Körner und kommen nur auf einen Anteil von unter 10 % der TS-Aufnahme. Aber selbst bei Graupapageien und Kakadus liegt der Anteil noch höher als beim Wellensittich. Es lässt sich daher schlussfolgern, dass über Möhren bei allen Papageien eine ausreichende Vitamin-A-Versorgung zu erreichen ist. Bedingt durch die Speicherung von Vitamin A in der Leber genügt es allgemein sogar einmal wöchentlich Möhren anzubieten.

Selbst die konservativen Wellensittiche fressen gerne Möhren

Alternativen zur Möhre

Außer der Möhre enthalten auch andere Obst- und Gemüse-Sorten viel Carotin (siehe Tabelle 3). So kann man beispielsweise auch durch die Zufütterung von Aprikosen, Blattsalat, Gurke oder roter Paprika eine ausreichende Vitamin-A-Versorgung sicherstellen. Viele Obstsorten enthalten wenig Carotin. So lässt sich beispielsweise mit Äpfeln bei Vögeln grundsätzlich keine ausreichende Vitamin-A-Versorgung sicherstellen. Allgemein sollten Obst und Gemüse mit einem Carotin-Gehalt über 75 mg pro Kilogramm Trockensubstanz täglich auf dem Speiseplan von Ziervögeln stehen (siehe Tabelle 3).

Beta-Carotin in mg/kg TSObstGemüse
500-700Möhre
300-500HonigmeloneSpinat, Chicorée, Feldsalat, Fenchel, Mangold, Endiviensalat
100-300Mango, AprikosePetersilie, Süßkartoffel, Romanasalat, Kopfsalat, Kürbis, rote Paprika, Radicchio, Lollo Rosso, Rucola
75-100Ebereschenbeeren, Tamarillo, Sanddorn, KakiGurke, Brokkoli, Tomate
25-75Hagebutte, Physalis, PfirsichGrüne Paprika, Zucchini
0-25Wassermelone, Pflaume, Holunderbeere, Clementinen, Kiwi, Brombeere, Papaya, Stachelbeere, Guave, Mirabellen, Maracuja, Kumquat, Banane, Orange/Apfelsine, Ananas, Johannisbeeren, Kaktusfeigen, Feigen, Heidelbeere, Kirschen, Apfel, Granatapfel, Weintrauben, Grapefruit, Himbeeren, Birnen, Datteln, Cherimoya, LitschiGelbe Paprika, Aubergine, Radieschen, Blumenkohl, Rote Beete
Tabelle 3: Beta-Carotin-Gehalt von Obst und Gemüse

Aufpassen muss man beim Beo und anderen Weichfressern, die zu einer Eisenspeicherkrankheit neigen. Bei diesen werden die verfütterten Obst- und Gemüsesorten nicht vorrangig nach ihrem Vitamin-A-Gehalt ausgesucht, sondern danach, dass sie einen geringen Gehalt an Vitamin C und Eisen haben.

Literatur:

Wapelhorst (2014): Untersuchungen zur Aufnahme und Bedeutung von Beifutter für die Nährstoffversorgung granivorer Ziervogelspezies (Kanarienvögel, Wellensittiche, Rosenköpfchen). –Diss. med. vet. TiHo Hannover

Wolf, Siesenop & Kamphues (2006): Hygienic quality of imported fresh oilpalmfruits (Elaeis guiinensis) for nutrition of parrots. -ESVCN.

Wolf (2018): Hygienestatus von Früchten sowie Keim- und Kochfutter. –Papageien-Sonderheft Ernährung, S. 71-73.


Dieser Text erschien zuerst im WP-Magazin und wird hier in überarbeiteter Form wiedergegeben: Wapelhorst, X. (2019): Müssen Palmfrüchte in der Vogelernährung wirklich sein? – Wellensittich & Papageien Magazin, 6/2019, S. 40 – 43.